Waffenbüro muss Kosten für Gutachten bevorschussen


Ein Aargauer Entscheid hält fest, dass die psychiatrische Begutachtung im Rahmen der waffengesetzlichen Beschlagnahme resp. Einziehung direkt vom Waffenbüro in Auftrag zu geben ist und die Kosten von diesem zu bevorschussen sind.

Im jüngst publizierten Beschluss des Regierungsrats des Kantons Aargau 2023-000260 vom 15. März 2023 hatte sich dieser u. a. mit der Frage zu befassen, wer im Rahmen eines waffengesetzlichen Beschlagnahme- und Einziehungsverfahrens die Kosten einer psychiatrischen Begutachtung zu bevorschussen hat. In Anwendung des aargauischen Verwaltungsverfahrensrechts kommt der Regierungsrat zum Schluss, dass der Betroffene nicht verpflichtet werden kann, ein Gutachten auf eigene Kosten beizubringen:

[…] Von der Frage der Kostenauflage zu unterscheiden ist allerdings die Frage, ob für eine derartige Begutachtung auch ein Kostenvorschuss verlangt werden darf. Wird eine Expertise beantragt, kann gemäss dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut „die antragstellende Partei“ zwar verpflichtet werden, für die mutmasslichen Kosten einen Vorschuss zu leisten (§ 30 Abs. 3 VRPG). Vorliegend hat der Beschwerdeführer die fachärztliche psychiatrische Begutachtung aber nicht selber beantragt. Auch wenn ihm im angefochtenen Entscheid vom 21. September 2021 formell nur die Gelegenheit eingeräumt wurde, seine Waffentauglichkeit durch ein forensisch-psychiatrisches Gutachten abklären zu lassen (Dispositivziffer 4, act. 240), forderte die Fachstelle SIWAS ihn doch faktisch dazu auf, im Hinblick auf den abschliessenden Entscheid betreffend die Waffenbesitzfähigkeit sowie die definitive Einziehung oder Herausgabe der vorläufig sichergestellten Gegenstände ein entsprechendes Gutachten erstellen zu lassen. Die Voraussetzungen gemäss § 30 Abs. 3 VRPG sind unter diesen Umständen nicht erfüllt. Im geltenden Verwaltungsrechtspflegegesetz fehlt es auch an einer Regelung, wonach für kostspielige Ermittlungen, insbesondere Expertisen, ein Vorschuss verlangt werden kann, wenn eine entsprechende Kostenauflage zu erwarten ist, wie es noch § 34 Abs. 1 des früheren Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (aVRPG) vom 9. Juli 1968 ausdrücklich vorsah. Gemäss geltender Rechtslage kann ein Kostenvorschuss für eine Expertise somit nur noch bei entsprechendem Antrag der abklärungsbetroffenen Person und nicht auch nach Massgabe der zu erwartenden Kostenauflage verlangt werden.

Vom Beschwerdeführer darf demzufolge kein Kostenvorschuss für das vorgesehene Gutachten verlangt werden beziehungsweise er darf (was letztlich auf dasselbe hinausläuft) nicht – wie vorliegend sinngemäss erfolgt – verpflichtet werden, es auf eigene Kosten beizubringen (Dispositivziffer 4, act. 240). Der Entzug der Waffenbesitzfähigkeit stellt zudem auch einen staatlichen Eingriff in die Rechtsstellung des Betroffenen dar und muss nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen erfolgen. Eine dem Beschwerdeführer einseitig auferlegte Verpflichtung würde folglich auch dem in § 17 Abs. 1 VRPG festgehaltenen Untersuchungsgrundsatz widersprechen („Die Behörden ermitteln den Sachverhalt […] von Amtes wegen und stellen die dazu notwendigen Untersuchungen an.“). Überdies darf bei bewilligter unentgeltlicher Rechtspflege ohnehin kein Barvorschuss für Beweiserhebungen verlangt werden. Die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege befreit nämlich von Vorschüssen für sämtliche prozessualen Handlungen, die zur materiellen Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche nötig sind (KASPAR PLÜSS, in: ALAIN GRIFFEL [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich. 3. Auflage 2014, § 15 N 16). Die vorinstanzlich erfolgte definitive Ablehnung des Gesuchs um Kostenbevorschussung ist demzufolge aufzuheben (vgl. zum Ganzen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. Dezember 2022 [WBE.2022.208], Erw. II. 4.).

Beschluss des Regierungsrats AG 2023-000260 vom 15.03.2023 E. 3.3

Dem verfahrensbeherrschenden Untersuchungsgrundsatz folgend, verlangt der Regierungsrat konsequenterweise die direkte Beauftragung einer geeigneten Institution vom Waffenbüro selbst:

Zusammenfassend ist die Beschwerde insofern teilweise gutzuheissen, als der Beschwerdeführer nicht dazu verpflichtet werden darf, die Kosten des fachärztlichen psychiatrischen Gutachtens zu bevorschussen beziehungsweise das Gutachten vorerst auf eigene Kosten erstellen zu lassen. Dispositivziffer 6 der Verfügung der Fachstelle SIWAS vom 21. September 2020 ist dementsprechend aufzuheben. Ebenso ist Dispositivziffer 4 derselben Verfügung aufzuheben und durch eine Formulierung zu ersetzen, wonach die Fachstelle SIWAS das fachärztliche psychiatrische Gutachten betreffend die Waffenbesitzfähigkeit des Beschwerdeführers direkt bei der PDAG in Auftrag gibt. Im Übrigen erweist sich die Verwaltungsbeschwerde als unbegründet und ist abzuweisen.

Beabsichtigt der Beschwerdeführer sowohl auf eine Klärung seiner Waffenbesitzfähigkeit als auch auf die Wiederaushändigung der vorläufig beschlagnahmten Gegenstände und demzufolge auf eine Begutachtung, deren Kosten er – wie ausgeführt – nicht zu bevorschussen, aber je nach Verfahrensausgang letztlich allenfalls doch selber zu tragen haben wird, zu verzichten, hat er dies der Fachstelle SIWAS rechtzeitig anzuzeigen.

Beschluss des Regierungsrats AG 2023-000260 vom 15.03.2023 E. 6.1

Im Ergebnis hat die zuständige Behörde im verwaltungsrechtlichen Beschlagnahme- resp. Einziehungsverfahren eine psychiatrische Begutachtung direkt und (einstweilen) auf eigene Kosten in Auftrag zu geben. Die Kosten des Gutachtens werden die Verfahrenskosten beschlagen und am Ende des Verfahrens zu verlegen sein.

Würdigung

Obschon das Verwaltungsverfahren meist kantonal geregelt ist, halte ich diesen Beschluss für verbreitungswürdig, da sich die kantonalen Verwaltungsprozessgesetze häufig ähneln und die zugehörigen Verfahren typischerweise vom Untersuchungsgrundsatz geprägt sind.

Materiell ist der zitierte Entscheid m. E. schlüssig. Es ist nur konsequent, den Untersuchungsgrundsatz, der das Verwaltungsverfahren beherrscht, auch bei der waffengesetzlichen Beschlagnahme bzw. Einziehung umzusetzen. Ferner lässt sich dieser Beschluss systematisch in die Rechtsprechung des Zürcher sowie des Waadtländer Verwaltungsgerichts einfügen. Zur Frage, ob ein Waffenbüro auch im Bewilligungsverfahren gehalten ist, eine gewünschte Begutachtung selbst zu veranlassen, äussert sich der vorliegende Entscheid hingegen nicht explizit. Im Lichte jüngster Rechtsprechung trägt die zuständige Behörde jedenfalls auch im Bewilligungsverfahren eine gewisse, dem Untersuchungsgrundsatz entspringende (indes durch die Mitwirkungspflicht des Gesuchstellers relativierte) Beweislast betreffend das Vorliegen von Hinderungsgründen, womit diese Frage wohl grundsätzlich zu bejahen wäre.