Schwere Maschinengewehre nach Waffengesetz?


Die Zentralstelle Waffen des Bundesamtes für Polizei kommt durch Neuauslegung des Feuerwaffenbegriffs zum Schluss, dass schwere Maschinengewehre vom Waffengesetz erfasst seien. Der Autor hat nachgefragt und liefert eigene Einschätzungen.

Bisherige Situation

Das Waffengesetz sagt einleitend, welche Gegenstände als Waffen qualifiziert werden. So gelten gegenwärtig als «Feuerwaffen»:

Geräte, mit denen durch Treibladung Geschosse abgegeben werden können und die eine einzige Person tragen und bedienen kann, oder Gegenstände, die zu solchen Geräten umgebaut werden können

Art. 4 Abs. 1 lit. a WG

Bezogen auf die hervorgehobene Passage herrschte bislang die Behördenpraxis, sogenannte schwere Maschinengewehre (sMG) nicht unter den Begriff der «Feuerwaffe» zu subsumieren, weil diese aufgrund ihrer Beschaffenheit (Grösse, Gewicht) nicht gleichzeitig durch eine einzige Person getragen und bedient werden können. Zwar gelten schwere Maschinengewehre als Kriegsmaterial, womit sie den Regeln des Kriegsmaterialgesetzes (KMG) unterstehen; insbesondere die waffengesetzlichen Erwerbsvorschriften waren auf schwere Maschinengewehre indessen nicht anwendbar.

Als schweres Maschinengewehr wird allgemein eine Seriefeuerwaffe im Kaliberbereich ab 12 mm bis 19 mm verstanden. Darunter liegt die Kategorie der leichten Maschinengewehre (lMG). Bei Kalibern ab 20 mm wird üblicherweise von Maschinenkanonen gesprochen.

Geänderte Rechtsauslegung

Die Zentralstelle Waffen des Bundesamtes für Polizei (ZSW) hat jüngst entschieden, eine geänderte Auslegung der zitierten Passage des Waffengesetzes beliebt zu machen: Neu sollen (viele) schwere Maschinengewehre als Feuerwaffen – primär als Seriefeuerwaffen – im Sinne des Waffengesetzes gelten.

Gemäss eigener Rücksprache mit der ZSW werde durch die geänderte Rechtsauslegung beabsichtigt, schwere Maschinengewehre bislang fehlenden Erwerbsvoraussetzungen zuzuführen. Da die entscheidende Passage in Art. 4 Abs. 1 lit. a WG dahingehend verstanden werden könne, dass nicht nur ein gleichzeitiges, sondern auch ein aufeinanderfolgendes Tragen und Bedienen die Feuerwaffendefinition erfüllt, würde der geltende Gesetzestext die neue Auslegung zulassen. Es gebe schwere Maschinengewehre, die man erst alleine tragen und danach (stationär) alleine bedienen könne. Diese schweren Maschinengewehre seien folglich als Feuerwaffen zu qualifizieren und damit den Regeln des Waffengesetzes unterworfen.

Ein Blick in die einschlägigen Materialien – die teleologische Auslegungsmethode – unterstreicht die Auffassung der ZSW:

Absatz 1 Buchstabe a wurde vom BB-Schengen unverändert übernommen. Der Begriff der «Feuerwaffen» umfasst auch die schweren Maschinengewehre. Der Verkauf, Erwerb und Besitz dieser Waffen ist im geltenden Recht nicht geregelt, da diese Geräte von der geltenden Definition der Feuerwaffen nicht erfasst werden.

Botschaft vom 11.01.2006 zur Änderung des WG, BBl 2006 2713 Ziff. 3.1.1

Vor diesem Hintergrund erachte ich die Subsumtion schwerer Maschinengewehre, welche von einer Person alleine getragen und (später) alleine bedient werden können, unter den Begriff der waffengesetzlichen «Feuerwaffe» als rechtlich vertretbar.

Dieser Rechtsauslegung folgend, sind Maschinengewehre, die nicht von einer Person alleine getragen oder nicht von einer Person alleine bedient werden können, nach wie vor keine Feuerwaffen im Sinne des Waffengesetzes. Auch nach neuer Auslegung bleibt dem Rechtsanwender eine Einzelfallprüfung also nicht erspart.

Folgen der neuen Auslegung

Die ZSW darf als Exekutivbehörde grundsätzlich kein Recht setzen und kein Recht sprechen. Vorliegend fand daher keine Änderung des Waffengesetzes oder der Waffenverordnung statt; das eigentliche Waffenrecht bleibt gleich. Geändert hat sich lediglich eine Interpretation des bestehenden Gesetzestextes. Ob Art. 4 Abs. 1 lit. a WG letztlich auf ein bestimmtes Gerät Anwendung findet, ist eine Rechtsfrage, die nur durch ein Gericht verbindlich entschieden werden kann. In der Praxis dürften die kantonalen Waffenbüros jedoch der Neuinterpretation der ZSW folgen.

Im Ergebnis wären die Regeln des Waffengesetzes und der Waffenverordnung neu auf eine Vielzahl schwerer Maschinengewehre anwendbar. Im Zentrum stehen die Bestimmungen über Seriefeuerwaffen: Der Erwerb eines erfassten schweren Maschinengewehrs wäre künftig ausnahmebewilligungspflichtig. Zu beachten wären auch die entsprechenden Regelungen zur Aufbewahrung.

Besitzesschutz?

Der bestehende Besitz von schweren Maschinengewehren, die nach bisheriger Rechtsauslegung erworben wurden, kann problematisch sein: Wie ist mit Personen zu verfahren, die schwere Maschinengewehre nach „alter“ Rechtsauslegung erworben haben? Das Waffengesetz sagt nicht, wie mit Fällen geänderter Gesetzesauslegung umzugehen ist.

Bei Lichte betrachtet hätten betroffene Besitzer ihre schweren Maschinengewehre seinerzeit – wenn auch nach bestem Wissen und Gewissen – unrichtig erworben (Seriefeuerwaffenverbot oder sonstige Bewilligungspflicht im Erwerbszeitpunkt vorausgesetzt). Sie könnten sich somit nicht auf die Besitzesschutzklausel in Art. 12 WG berufen. Genau gesehen würden Eigner von schweren Maschinengewehren diese ohne nötige Bewilligung und damit unberechtigt besitzen. Eine direkte Beschlagnahme wäre in diesen Fällen jedoch stossend, eine Bestrafung aufgrund unvermeidbaren Irrtums über die Rechtswidrigkeit (Art. 21 StGB) ausgeschlossen. Naheliegender wäre – angelehnt an bestehende Übergangsbestimmungen – die Meldung ans zuständige Waffenbüro samt Einholen der benötigten Bewilligung. Im Sinne der Verhältnismässigkeit wären im spezifischen Bewilligungsverfahren betreffend Sammlertätigkeit wohl keine allzu strengen Massstäbe anzulegen. Zeigte sich im Bewilligungsverfahren, dass Hinderungsgründe nach Art. 8 Abs. 2 WG vorliegen, wäre das Maschinengewehr des Gesuchstellers zu beschlagnahmen (Art. 31 Abs. 1 lit. b WG), wobei eine Bestrafung auch hier grundsätzlich entfiele.

Klarheit durch Verordnungsrevision?

Mit Blick auf die Rechtssicherheit ist die gegenwärtige Situation für die meisten Beteiligten unbefriedigend. So bleibt unklar, welches Modell eines schweren Maschinengewehrs – davon gibt es einige – nun tatsächlich als Feuerwaffe bzw. Seriefeuerwaffe gelten soll. Dem EJPD resp. der ZSW steht gegenwärtig keine Definitionshoheit zu (vgl. umgekehrt Art. 5 Abs. 2 WV oder die Typenprüfungen im 3. Kapitel der Waffenverordnung). Richtigerweise wäre für jedes Waffenmodell zu prüfen, ob eine durchschnittliche Person dieses Gerät alleine tragen und (danach) alleine bedienen kann. Kennen Sie eine durchschnittliche Person?

Laut ZSW soll eine nächste Revision der Waffenverordnung Abhilfe schaffen. So sei angedacht, das 1. Kapitel der Waffenverordnung um eine Definition von Seriefeuerwaffen zu erweitern. Der neu zu definierende Begriff der «Seriefeuerwaffe» solle die besagten schweren Maschinengewehre erfassen und Abgrenzungsprobleme lösen. Denkbare Kriterien seien Maximalgewicht und -kaliber.

Die kommende (und letztlich tatsächlich umgesetzte) Entwicklung im Bereich der schweren Maschinengewehre bleib spannend – die Weiterentwicklung der Waffenverordnung sowieso. Sollten sich Neuerungen ergeben, wird ArmaLex berichten.