Bundesgericht rettet berechtigten Dritten


Das Bundesgericht erlaubt einem Vater aus dem Kanton Solothurn die Aufbewahrung seiner Waffen mit jenen seines Sohnes – und rettet damit den berechtigten Dritten.

Ein Waffenbesitzer im Kanton Solothurn will seine Waffen mit jenen seines volljährigen Sohnes aufbewahren. Die Polizei und das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn wollten ihm dies verwehren. Mit bedeutsamem Urteil 2C_113/2025 vom 13. November 2025 hob das Bundesgericht (in Fünferbesetzung) den kantonalen Entscheid auf und rettet damit die waffenrechtliche Figur des berechtigten Dritten.

Hintergrund

Im Oktober 2023 ist der spätere Beschwerdeführer – warum auch immer – an die Polizei des Kantons Solothurn gelangt, um sich die Aufbewahrung seiner Waffen, wesentlichen Waffenbestandteile und Munition mit jenen resp. jener seines volljährigen, im gleichen Haushalt lebenden Sohnes bewilligen zu lassen. Beide sind rechtmässige Besitzer erwerbsschein- sowie ausnahmebewilligungspflichtiger – also verbotener – Waffen. Da die private Aufbewahrung von Waffen weder bewilligungspflichtig noch -fähig ist, konnte die Polizei lediglich eine Feststellungsverfügung erlassen, welche faktisch bis vor Bundesgericht angefochten wurde.

Strittig war, ob es sich beim volljährigen Sohn des Beschwerdeführers um einen «unberechtigten Dritten» nach Art. 26 Abs. 1 WG handelt. Folglich hatte das Bundesgericht (endlich) die waffengesetzlichen Figuren des berechtigten resp. unberechtigten Dritten zu erörtern.

Urteil des Bundesgerichts

Im Zuge seiner Auslegung von Art. 26 Abs. 1 WG erinnert das Bundesgericht daran, dass der Gesetzgeber die gemeinsame Nutzung von Waffen durch verwandte Hausgenossen toleriert:

[…] Wie sich aus den diesbezüglichen Voten im Parlament ergibt, ging der Gesetzgeber davon aus, dass Waffen innerhalb einer Familie oft gemeinsam benutzt würden. Die Aufnahme des Adjektivs „unberechtigter“ in den Gesetzestext erfolgte mit dem Ziel, die gemeinsame Waffenaufbewahrung innerhalb der Familie zu erlauben, sodass z. B. ein Vater seine Waffen nicht vor dem Zugriff seines in einem Schiessverein aktiven Sohnes schützen müsse. Aus den Materialien ergibt sich folglich, dass der Gesetzgeber – in erster Linie aus Praktikabilitätsgründen – die Nutzung der selben Waffe(n) durch im gleichen Haushalt lebende Familienmitglieder als mit dem Gesetzeszweck ausdrücklich vereinbar erachtete. […]

Urteil des Bundesgerichts 2C_113/2025 vom 13.11.2025 E. 5.4.2

Die vorinstanzliche Interpretation, wonach Art. 12 WG eine gemeinsame Aufbewahrung verbiete, wurde explizit verworfen; ferner unterstreicht das Bundesgericht die Qualifikation von „Sammlungsinteressierten“ u. Ä. als blosse Besitzdiener:

[…] Eine gemeinsame Aufbewahrung von unter das Gesetz fallenden Gegenständen erscheint daher nicht von vornherein als systemwidrig. Entsprechend kann aus Art. 12 WG nicht abgeleitet werden, das Waffengesetz verbiete die gemeinsame Aufbewahrung von Waffen unter allen Umständen und ist der von der Vorinstanz gezogene Kreis möglicher zugriffsberechtigter Dritter zu eng: Personen, denen eine Waffensammlung gezeigt oder mit denen Waffen gemeinsam geputzt werden, haben die Stellung von blossen Besitzdienern und deshalb von vornherein keine eigentliche Berechtigung an den Waffen (vgl. zur Abgrenzung des Besitzes von der Besitzdienerschaft etwa BENJAMIN LEUPI-LANDTWING, in: SHK Waffengesetz, 2017, N. 9–11 zu Art. 12 WG). Es handelt sich bei ihnen um unberechtigte Dritte, weshalb ihr Zugriff einzig unter Aufsicht stattfinden darf.

Urteil des Bundesgerichts 2C_113/2025 vom 13.11.2025 E. 5.4.3

Der Versuch der Beschwerdegegner, im Beibehalten der einschlägigen Normen einen veränderten Willen des Gesetzgebers zu erkennen, hat das Bundesgericht nicht überzeugt:

Weiter bestehen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber von der bei Erlass des Waffengesetzes unmissverständlich geäusserten Absicht, die gemeinsame Aufbewahrung von Waffen durch im gleichen Haushalt lebende Familienmitglieder zu ermöglichen (vgl. E. 5.4.2 hiervor), inzwischen abgerückt sein könnte. Das Waffengesetz wurde seit 1997 zwar mehrfach teilrevidiert, insbesondere im Zuge der Umsetzung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über die Assoziierung an Schengen und Dublin sowie der Weiterentwicklung des Schengen Besitzstands (vgl. dazu die in BBl 2004 5965 ff., BBl 2009 3649 ff. und BBl 2018 1881 ff. publizierten Botschaften des Bundesrats sowie die dazugehörigen Bundesbeschlüsse [AS 2008 447; AS 2010 2899; AS 2019 2415]; vgl. auch BBl 2006 2713 ff., S. 2720 f.). Dabei wurde aber weder an der primären Zwecksetzung des Gesetzes gemäss Art. 1 Abs. 1 WG (Missbrauchsbekämpfung; vgl. E. 4.1 hiervor), der Grundunterscheidung zwischen drei verschiedenen Waffenkategorien und den zentralen Voraussetzungen des Waffenerwerbs (vgl. die Art. 5 und 8–11 des Waffengesetzes in seiner ursprünglichen, am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Fassung [AS 1998 2535]) noch – und vor allem – an der Regelung der Aufbewahrung von Waffen in Art. 26 Abs. 1 WG etwas geändert. Zu erwähnen ist diesbezüglich, dass der Bundesrat in der Botschaft vom 2. März 2018 zur Übernahme der geänderten EU-Waffenrichtlinie (BBl 2018 1881 ff.) festhielt, dass dem Sicherheitsgedanken, den das neue EU-Waffenrecht betreffend die Aufbewahrung von Feuerwaffen und Munition zum Ausdruck bringe, mit Art. 26 WG ausreichend Rechnung getragen sei (S. 1906).

Urteil des Bundesgerichts 2C_113/2025 vom 13.11.2025 E. 5.4.4

In teleologischer Hinsicht – sowie im Ergebnis – soll die gemeinsame Aufbewahrung von Waffen etc. zulässig sein, sofern die Betroffenen über waffengesetzliche Bewilligungen gleicher Stufe verfügen:

In teleologischer Hinsicht gilt es den Zielen des Waffenrechts Rechnung zu tragen (vgl. E. 4.1 hiervor). Das fedpol bringt dazu in seiner Vernehmlassung vor, die gemeinsame Aufbewahrung von Waffen innerhalb eines Haushalts sei nur insoweit zulässig, als die betreffenden Familienmitglieder über die gleichen Berechtigungen verfügten, d.h. der Waffenbesitz auf den gleichen Erwerbsberechtigungen beruhe. Dem ist beizupflichten: Der Begriff der unberechtigten Dritten gemäss Art. 26 Abs. 1 WG ist – im Lichte von Art. 1 WG ausgelegt – weit zu verstehen. Ausgenommen sind einzig im gleichen Haushalt lebende Familienmitglieder, soweit sie Waffen der gleichen Kategorie besitzen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, werden die gesetzlichen Ziele, insbesondere der sichere Umgang mit Waffen, hinreichend gewahrt. Das bedeutet u.a., dass ein Vater, der (rechtmässig) ausnahmebewilligungspflichtige Waffen besitzt, diese auch vor dem Zugriff seines im gleichen Haushalt lebenden (volljährigen) Sohnes schützen muss, wenn der Sohn lediglich erwerbsscheinpflichtige Waffen besitzt. Die Aufbewahrung der ausnahmebewilligungspflichtigen Waffen des Vaters zusammen mit den Waffen des Sohnes wäre in dieser Konstellation gesetzeswidrig.

Urteil des Bundesgerichts 2C_113/2025 vom 13.11.2025 E. 5.4.5

Demnach ergibt sich aus den Materialien ein deutlicher gesetzgeberischer Wille, der durch die Systematik des Gesetzes und dessen Zwecksetzung nicht in Frage gestellt wird. Geänderte Verhältnisse, die ein Abrücken von dem in den Materialien dokumentierten gesetzgeberischen Willen nahelegen würden, sind nicht ersichtlich. Art. 26 Abs. 1 WG ist dementsprechend so auszulegen und anzuwenden, dass im gleichen Haushalt lebende Familienmitglieder, die über die gleichen waffenrechtlichen Berechtigungen verfügen, die entsprechenden Waffen gemeinsam aufbewahren können.

Urteil des Bundesgerichts 2C_113/2025 vom 13.11.2025 E. 5.4.6

Würdigung

Da Art. 26 Abs. 1 WG betreffend Aufbewahrung von Waffen etc. den Schutz vor dem Zugriff unberechtigter Dritter fordert, muss es im Umkehrschluss berechtigte Dritte geben, welche auf diese Sachen zugreifen dürfen. Dies war denn auch der Wille des Gesetzgebers: Im Zuge der Entstehung des Art. 26 WG wurde ausgerechnet das Beispiel von Vater und Sohn angeführt.

In der Praxis war dennoch unklar, wer berechtigter Dritter ist. Hätte das Bundesgericht den waffenbesitzberechtigten Sohn des Beschwerdeführers als unberechtigten Dritten qualifiziert, hätte es den berechtigten Dritten faktisch abgeschafft. Gleichzeitig hätte es die widersinnige Situation kreiert, wonach eine von Hinderungsgründen freie Person (im Rahmen der Aufbewahrung) nicht auf Waffen zugreifen, diese aber erwerben (und sodann besitzen [Art. 12 WG]) darf. Vor diesem Hintergrund erhellt, dass dem Urteil des Bundesgerichts beizupflichten ist. Da die gefährdungsrelevanten Voraussetzungen – die Abwesenheit von Hinderungsgründen nach Art. 8 Abs. 2 WG – für beide Bewilligungsstufen identisch sind, hätte man m. E. zwar den Besitz eines Waffenerwerbsscheins für die Aufbewahrung mit verbotenen Waffen genügen lassen können.

Auch im Sinne der Rechtssicherheit ist dieser Entscheid des Bundesgerichts zu begrüssen. Nun sollte klar sein, dass Inhaber von Bewilligungen gleicher Stufe – der Waffenerwerbsschein für Bewilligungspflichtiges resp. die Ausnahmebewilligung für Verbotenes – die jeweiligen Gegenstände gemeinsam aufbewahren dürfen. Wer heute Zugriff auf Waffen hat, ohne deren „Bewilligungsstufe“ selbst erreicht zu haben, tut entsprechend gut daran, zeitig einen Waffenerwerbsschein resp. eine kantonale Ausnahmebewilligung zu erwerben.

Im Übrigen soll und darf dieser höchstrichterliche Entscheid natürlich nicht als Möglichkeit zur Umgehung der Waffenerwerbsvoraussetzungen verstanden werden. Wo statt einer gemeinsamen Aufbewahrung eine eigentliche Übertragung vorliegt, hat nach wie vor auch die entsprechende Erwerbsbewilligung vorzuliegen.