Der Strafappellationshof des Kantonsgerichts Fribourg hatte in seinem Urteil 501 2023 177 vom 13. November 2024 den folgenden Anklagesachverhalt zu prüfen:
In der Zeit vom 17.07.2020 bis 18.04.2021 schoss der Beschuldigte mit einem Pfeilbogen mehrfach Übungspfeile gegen eine Zielscheibe, welche anfänglich vor einer Kletterwand gestellt war. Ende Juli oder Anfangs August 2020 befestigte der Beschuldigte eine Gummimatte auf der linken Seite der Kletterwand. Im Mai 2021 montierte der Beschuldigte Pfeilfangnetze links und rechts der Kletterwand. Die Kletterwand befand sich an der Grenze zum benachbarten Grundstück von B.__, wobei der Beschuldigte jeweils aus einer Distanz von ca. 10 Metern in Richtung dieses Grundstücks schoss. Im Sommer 2020 befand sich die Klägerin im Garten, als ein Pfeil einige Meter von ihr entfernt auf ihrem Grundstück landete. Trotz ihrer Aufforderungen, das Pfeilbogenschiessen in Richtung ihres Gartens zu unterlassen, hat der Beschuldigte in der obgenannten Zeit das Schiessen mit Pfeil und Bogen regelmässig weitergeführt, wenn auch mit den genannten Schutzvorrichtungen.
Aufgrund des Verhaltens des Beschuldigten war die Klägerin gezwungen, während der Schiessübungen des Beschuldigten den Garten zu verlassen bzw. konnte ihn in dieser Zeit nicht betreten. Dies kam in obgenannter Zeitspanne ungefähr 12 Mal vor.
Urteil des Kantonsgerichts FR 501 2023 177 vom 13.11.2024 E. 3.3
Im Zentrum stand die Frage, ob sich der beschuldigte Berufungsführer der (mehrfachen) Nötigung (Art. 181 StGB) zum Nachteil seiner Nachbarin schuldig gemacht hat.
Das Gericht verneint schliesslich das Vorliegen einer (hinreichenden) Nötigungshandlung sowie eines zugehörigen Eventualvorsatzes:
[…] Nachdem der Berufungskläger weder Gewalt angewendet noch ernstliche Nachteile angedroht hat, kommt als Zwangsmittel im vorliegenden Fall einzig die andere Beschränkung der Handlungsfreiheit in Frage, welche nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung und Lehre restriktiv auszulegen ist. Es trifft zu, dass es zwar zu einem Fehlschuss gekommen ist, dies aber vor Errichtung der verschiedenen Schutzvorkehrungen geschehen ist. Ab diesem Zeitpunkt konnte nicht mehr von einer grossen, realen Gefahr ausgegangen werden, und die Störung manifestierte sich vorwiegend im dumpfen Geräusch, welches durch das Aufprallen des Pfeils auf der Zielscheibe entstand. Das Abschiessen von Pfeilen, welches die Privatklägerin in der relevanten Zeitperiode von rund neun Monaten rund 12-mal während wenigen Stunden mitbekommen hat, weist nicht die gleiche Intensität auf, wie es für die vom Gesetz ausdrücklich genannte Gewalt oder die Androhung ernstlicher Nachteile verlangt wird. Auch wenn es zutreffen mag, dass die Privatklägerin sich genötigt fühlte, ihren Garten zu verlassen bzw. nicht zu betreten, kann aus objektiver Sichtweise nicht davon ausgegangen werden, dass das üblicherweise geduldete Mass an Beeinflussung in ähnlicher Weise eindeutig überschritten wurde. Beim abgenötigten Verhalten handelt es sich vielmehr um ein subjektives Empfinden der Privatklägerin, welche ihren Garten zu gewissen Zeiten in der Freizeit und insbesondere während den Ferien nicht in der von ihr gewünschten Form nutzen konnte, wobei sie anerkennen musste, dass sie sich auf der anderen Seite des Hauses in Sicherheit fühlte. Die nötige Intensität ist vorliegend nicht gegeben, und es liegt auch keine Rechtswidrigkeit vor. In subjektiver Hinsicht wollte der Berufungsführer die Privatklägerin denn auch nicht in ihrer rechtlich geschützten Freiheit beschränken, und ein eventualvorsätzliches Verhalten kann ebenfalls nicht bejaht werden. Sofort nach der ersten Reklamation der Privatklägerin infolge des einzigen Fehlschusses hat der Berufungskläger Schutzvorkehrungen getroffen und diese nach und nach weiter ausgebaut, um der Privatklägerin das Gefühl von Sicherheit wieder zurückzugeben und die Privatsphäre für beide Parteien wieder herzustellen. Dadurch brachte er zum Ausdruck, dass er keineswegs, auch nicht eventualvorsätzlich, beabsichtigte, Pfeile in den Garten der Nachbarin zu schiessen und sie dadurch zu nötigen, einen Teil ihres Gartens nicht zu nutzen. Nach dem Gesagten ist festzustellen, dass weder der objektive noch der subjektive Tatbestand der Nötigung erfüllt ist und der Berufungsführer vom Vorwurf der mehrfachen Nötigung freizusprechen ist. Die Berufung ist demnach gutzuheissen.
Urteil des Kantonsgerichts FR 501 2023 177 vom 13.11.2024 E. 3.7
Im Lichte dieses Entscheids ist resp. bleibt das Schiessen mit einem Pfeilbogen1 – unter Einhaltung gewisser Sicherheitsvorkehrungen – (auch) in Richtung des benachbarten Grundstücks zulässig. Der Beschuldigte war freizusprechen.
- Pfeilbögen gelten praxisgemäss nicht als Waffen i. S. v. Art. 4 Abs. 1 lit. d WG. ↩︎