Waffe im Internet bestellt: Rechtsirrtum vermeidbar


Nach einer unbewilligten Einfuhr eines Nunchakus bestätigt das Bundesgericht einen Schuldspruch des Zürcher Obergerichts und äussert sich zur Vermeidbarkeit des Irrtums über die Rechtswidrigkeit.

Die straf- und waffenrechtliche Praxis sieht sich häufig mit der unbewilligten Einfuhr im Internet bestellter Waffen konfrontiert. In solchen Fällen stellt sich regelmässig die Frage nach einem Irrtum über die Rechtswidrigkeit (Art. 21 StGB), der gelegentlich mit dem Irrtum über den Sachverhalt (Art. 13 StGB) verwechselt wird. Einem Rechtsirrtum (Verbotsirrtum) erliegt, wer nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält. Demgegenüber beschreibt der Sachverhaltsirrtum ein Irren über die tatsächlichen Umstände. Ersterer tangiert die Schuld, letzterer den Vorsatz.

Wenn auch strafrechtlich eher trivial, will ich aufgrund der praktischen Relevanz auf das Urteil des Bundesgerichts 6B_76/2023 vom 4. Mai 2023 hinweisen. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen einen unvermeidbaren und damit schuldausschliessenden Rechtsirrtum geltend. In E. 1.5 stellt die Strafrechtliche Abteilung klar, was vom Besteller eines Nunchakus aus Kabul konkret verlangt worden wäre:

[…] Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, wenn sie die Vermeidbarkeit des Rechtsirrtums bejaht. Ein gewissenhafter Dritter in der gleichen Situation hätte sich zumindest Gedanken darüber gemacht, ob es sich bei einem Nunchaku (auch Würgeholz genannt) um einen gefährlichen Gegenstand oder um eine Waffe handeln könnte. Eigener Zugabe zufolge wusste der Beschwerdeführer, dass in der Schweiz und auch in anderen Ländern Waffen verboten bzw. bewilligungspflichtig sind. Dies gilt umso mehr, als er in seiner ersten Einvernahme ausgesagt hat, er habe in der Schweiz keine Nunchakus gefunden. Die Frage, weshalb dem so ist, drängte sich geradezu auf und verlangte nach Abklärung. Der Beschwerdeführer hätte zumindest Zweifel haben müssen, ob die Einfuhr von Nunchakus in die Schweiz rechtmässig sei. Eine Abklärung dieser sich aufdrängenden Zweifel wäre dem Beschwerdeführer, der den Verkäufer in Kabul im Internet gefunden hat, durch eine einfache Suchanfrage auf Google ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen. Er hätte so umgehend und mit minimalem Aufwand erfahren, dass Nunchakus als Waffen gelten und ohne eine entsprechende behördliche Bewilligung nicht in die Schweiz eingeführt werden dürfen. Der dem Beschwerdeführer zugebilligte Rechtsirrtum war vermeidbar im Sinne von Art. 21 Satz 2 StGB. Der Schuldspruch der Vorinstanz wegen vorsätzlichen Vergehens gegen das Waffengesetz verletzt kein Bundesrecht.

Urteil des Bundesgerichts 6B_76/2023 vom 04.05.2023 E. 1.5

Weil der Rechtsirrtum des Beschwerdeführers vermeidbar gewesen sei, bestätigt das Bundesgericht das vorinstanzliche Urteil aus dem Kanton Zürich.

Was ist bei einer Bestellung zu beachten?

Vor dem Hintergrund des zitierten Bundesgerichtsurteils können die Pflichten des Bestellers grob zusammengefasst werden:

  • Vernünftige Käufer machen sich bei einer Bestellung Gedanken darüber, ob die begehrte Sache ein gefährlicher Gegenstand oder eine Waffe sein könnte.
  • Müssen Zweifel aufkommen, sind weitere Abklärungen zu treffen.
  • Einfache Abklärungen im Internet (Suchanfragen) sind zumutbar.
  • Nach getätigten Abklärungen wird vom Besteller erwartet, eine Waffe als solche qualifizieren zu können.
  • Nach getätigten Abklärungen wird vom Besteller erwartet, eine geltende Erwerbs- und Einfuhrbewilligungspflicht zu kennen.

Infolge gestiegener Komplexität des Waffenrechts dürfte es nicht schaden, im Zweifel eine Behörde oder einen Dienstleister mit Kenntnissen der Waffen- und Strafgesetzgebung zu kontaktieren; schliesslich gelingt die korrekte Qualifikation eines Gegenstandes selbst einem Gericht, einem Anwalt und der Staatsanwaltschaft nicht immer.